Wie jedes Jahr geht es eine Woche lang zum Schuhe holen nach Münster. Ihr werdet Euch jetzt fragen, warum geht er nicht einfach zu einem großen Schuhhändler? Das ist ganz einfach: Ich brauche orthopädische Schuhe, damit ich ein bisschen Stabilität in die Füße und Beine bekomme. So kann ich mich auch schonmal (recht) kurze Strecken ohne Rolli fortbewegen. Und warum gerade Münster? – Nun, weil dort der beste Schuhmacher für mich zu finden ist. Jedenfalls sehe ich das so. Ich habe nicht ganz einfache Anforderungen an meine Schuhe und der Schuhmacher in Münster setzt diese perfekt um. Ich habe es mal woanders probiert, da es ja doch ein paar Kilometer quer durch Deutschland zu fahren sind, aber es war der totale Reinfall. Seitdem habe ich keine Experimente mehr mit meinen Schuhen gewagt, denn es dauert sehr lange, bis man dann ein neues Paar bekommt.

Münster ist zudem eine sehr schöne Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten. Die wahrscheinlich bekannteste davon dürfte der St. Paulus Dom sein. Um als Rollstuhlfahrer die Schönheit des Domes auch von innen betrachten zu können, gibt es einen behindertengerechten Eingang. Den findet man, wenn man den kleinen Schildern folgt, indem man rechts am Dom entlang rollt. Der Dom befindet sich auf dem Domplatz, der leider aus einer ganzen Menge Kopfsteinpflaster besteht und für die kleinen Rolliräder nicht gerade eine Freude sind. Dort findet auch der Wochenmarkt statt, wenn man zu den richtigen Wochentagen dort ist (Mittwoch und Samstag). Am Domplatz gibt es viele Behindertenparkplätze, von denen die gesamte wunderschöne Altstadt erkundet werden kann. Darunter das historische Rathaus, in welchem der westfälische Frieden verhandelt wurde, oder auch (für die Shopping-Queens unter uns) der Prinzipalmarkt, die historische Einkaufsstraße. Münster ist jedes Jahr die Reise wert!
Und wie jedes Jahr haben wir also im Norden einen Platz zum Campen gesucht. Fündig wurden wir in Berne auf dem Campingplatz Juliusplate. Dieser liegt direkt an der Weser und ist ein wirklich idyllisches Plätzchen.

Direkt hinterm Weserdeich liegt ein mittelgroßes Areal, wo Wohnmobile und Zeltcamper (so wie wir) ein friedliches Miteinander führen. Mit ein bisschen Glück bekommt man einen Platz, der einen wundervollen Blick über eine Kuhwiese genießen lässt, und diesen hatten wir! So konnten wir jeden Morgen unseren Kaffee mit einem direkten Draht zur Natur beginnen. Auch ein kleiner Strand ist ganz in der Nähe direkt an der Weser zu finden. Die Betreiber des Campingplatzes sind ein freundliches Paar, welche den Platz gerade vom Altbesitzer übernommen haben. Erstaunt waren wir am Ende des Urlaubs über den extrem günstigen Preis. Für so einen gut gelegenen Campingplatz hätten wir deutlich mehr erwartet.

Die Wege im Areal selbst sind nur zum Teil rollifreundlich, da Kiesel und kleinere Steinchen die kleinen Vorderräder behindern können, ihr kennt das bestimmt. Auf einem Campingplatz ist das aber nicht unbedingt ungewöhnlich. Bei trockenem Wetter lässt sich die Wiese da eindeutig besser befahren. Die Trennung zwischen Toiletten und Duschen empfinde ich zwar als sinnvoll, aber leider liegen die Örtlichkeiten weit voneinander entfernt. Da muss man schon mal planen, wenn Dusche, Toilettengang und Zähneputzen zusammen stattfinden sollten. Aber vielleicht wird die Barrierefreiheit sogar noch weiter ausgebaut. Es gibt schon eine Toilette mit extra Schlüssel, da ist aber keine Dusche drin und die normalen Duschen sind nicht barrierefrei. Eine barrierefreie Dusche könnte hier vielleicht in dem Toilettenraum integriert werden. Als Schlüssel könnte ein Euro-Schlüssel zum Einsatz kommen, den fast jeder Rollstuhlfahrer bei sich hat. Wenn das nicht möglich ist, könnte eine Rampe am derzeitigen Duschhaus schon eine erste Abhilfe schaffen. Leider sind dann noch die Duschräume sehr eng, so dass ein höheres Maß an Beweglichkeit vorhanden sein sollte, um sich auf einen (vorhandenen) Hocker umzusetzen. Auch die Ablagemöglichkeiten sind sehr begrenzt. Es war für mich auch nicht ganz einfach, aber nach ein bisschen Übung habe ich das hinbekommen. Würden hier zwei Duschräume zusammengelegt, dessen Zugang vergrößert und noch die ein oder andere Ablagemöglichkeit geschaffen werden, wäre die Nutzbarkeit für einen Rollstuhlfahrer gegeben. Trotz dieser kleinen Herausforderungen, auf die ich mich auch bewusst eingelassen habe, habe ich mich sehr wohl gefühlt und einen wundervollen Campingurlaub verbracht. Die Betreiber haben auch jederzeit ihre Hilfe angeboten, aber ihr wisst ja: Selbst ist der Rollstuhlfahrer!
Und wenn man schon im Norden ist, konnten wir uns natürlich eins nicht entgehen lassen: die Nordsee! Schon bei der ersten Fahrt haben wir in Dangast den Ort gefunden, den wir dann auch während unseres Aufenthaltes mehrfach besucht haben. Dort kann man nämlich barrierefrei bis zum Strand mit dem Rollstuhl. Und zur Krönung gibt es direkt am Strand einen befestigten Weg, den man entlang rollern kann, so dass man ganz nah an die Nordsee ran kommt! Sollte man sich allerdings am Strand hinsetzen wollen, sollte man nicht den Abschnitt vor dem Weg nehmen, der bei Ebbe wirklich trocken aussieht… Bei Flut kommt die Nordsee einem dann aber doch zu nah! So mussten auch wir schnell die Sachen packen und uns hinter dem Weg im Sand ein Plätzchen suchen.
Und wir waren nicht nur an der Nordsee, sondern auch auf der Nordsee. So haben wir in Cuxhaven spontan eine Seehundetour mit einem Boot gemietet. Eigentlich wollten wir uns die Strandpromenade und die Stadt anschauen, doch das Angebot, einmal Seehunde zu sehen, war dann doch zu verlockend.

So stellten wir uns in die Schlange um ins Boot einzusteigen. Doch die Besatzung hatte andere Pläne und holte mich samt dem Rollstuhl ganz nach vorne. Ich hätte zwar auch gewartet, aber sie werden sich was dabei gedacht haben. Beim Einsteigen kam es dann auch (wie so oft) von hinten zu blöden Sprüchen: Einige der Wartenden wollen sich jetzt wohl auch eine Behinderung zulegen, um als erstes einsteigen zu dürfen. Na dann viel Erfolg! (Ich kann auch Tipps geben, schreibt mich einfach an)
Auf dem Boot gab es genügend Platz für den Rolli. Ich wollte aber lieber auf einer Bank sitzen und wechselte daher direkt an die Reling. Die Fahrt dauerte mindestens 1 Stunde bis zur Sandbank, wo wir die Seehunde sehen sollten. Also haben wir erst mal Essen und Getränke bestellt. Auf der Sandbank waren dann leider keine Seehunde zu finden, die waren wohl auch grade dabei ihren Tisch zu decken.

Ab und zu sahen wir einen Kopf aus dem Wasser auftauchen, aber das war schon alles. Auf der Rücktour machte der Kapitän einen unplanmäßigen Stopp: Eine Familie wollte einem Verstorbenem gedenken und warf Blumen ins Wasser. Das Boot machte eine Kreisbewegung um diese herum und ließ sie im Kielwasser abdriften. Was für eine bewegende Zeremonie! Kurz bevor wir dann fast wieder Land erreicht hatten, mussten wir feststellen, dass es Paula gar nicht so gut ging. Ich denke die 2,5 Stunden auf hoher See haben ihr nicht so gut getan und so sah sie auch aus. Aber auch ich war froh, als wir wieder festes Land unter den Füßen, Pfoten und Rädern hatten. Auf der Rückfahrt zum Campingplatz haben wir uns noch in Bremerhaven den wundervollen Sonnenuntergang angeschaut. Das Areal rund um die Hafenwelten, so auch die Strandpromenade, sind wirklich gut mit dem Rollstuhl befahrbar.
Aber nicht nur das Meer hat uns angezogen, sondern auch die Städte in der näheren Umgebung. Zuerst waren wir in Oldenburg. Neben dem Wahrzeichen, dem Lappan, dem Degodehaus oder dem Schloss, fand ich den Hörgarten sehr interessant. Hier fanden wir einige physikalische Aufbauten, die das Thema Ohr und Hören behandeln.

Zum Beispiel gibt es da den Hörthron. Das ist ein Sitz auf dem ich zwischen zwei riesigen Hörtrichtern platzgenommen habe und so Geräusche aus einer bestimmten Richtung verstärkt wahrnahm. Ich hörte Flaschengeklapper, konnte aber niemanden sehen… Der Flüsterspiegel ist ein weiteres Exponat, mit dem wir uns über mehrere Meter flüsternd unterhalten konnten. Und natürlich gab es ein Modell des Innenohres mit dem dargestellt wurde, wie hohe und tiefe Töne im Ohr wahrgenommen werden. Das war wirklich eine kurzweilige Beschäftigung und ich hoffe ich konnte Euch jetzt ein wenig neugierig machen, denn es gibt da noch ein paar mehr spannende Aufbauten, die von Euch besucht werden wollen. Der Eintritt ist übrigens frei.
Und natürlich waren wir in Bremen. Dazu mussten wir ja vom Campingplatz, mit der direkt angrenzenden Fähre nur über die Weser setzen und schon waren wir da.

Natürlich haben wir die Bremer Stadtmusikanten besucht und dem Esel an die Füße gefasst. Auch der St. Petri Dom fehlte nicht auf unserer Route. Dieser ist über einen Seiteneingang rechts vom Haupteingang mit Rollstuhl befahrbar. Doch die meiste Zeit haben wir uns im Schnoor aufgehalten. Das ist das mittelalterliche Viertel der Stadt Bremen mit vielen kleinen Gässchen und alten Häusern. Die engste Stelle im Schnoor misst gerade einmal 45 cm. Da war mit dem Rolli kein Durchkommen mehr. Während wir in der Teestube Rast gemacht haben und uns die Spezialität Bremer Knipp schmecken ließen, schauten wir den, in mittelalterlichen Gewändern gekleideten Leuten zu, wie sie Besucher ins Bremer Geschichtenhaus einluden. Im Geschichtenhaus wird das Bremer Leben in historischer Kulisse und von Menschen in selbstgeschneiderten originalgetreuen Kostümen dargestellt. Das Bremer Geschichtenhaus ist mit Fahrstuhl vom Stavendamm 8 mit Rollstuhl befahrbar und auf jeden Fall einen Blick wert.
Mir ist aufgefallen, dass in allen Städten wo wir waren, Kopfsteinpflaster in den Straßen verbaut wurde. Für einen Rollstuhlfahrer ist das natürlich eine Herausforderung, da die kleinen Vorderräder immer stecken bleiben. Das kann schon zu abenteuerlichen Situationen führen 😉 So ganz erschließt sich mir der Sinn von Kopfsteinpflaster auch nicht, obwohl es natürlich gerade in mittelalterlichen Bebauungen wahrscheinlich etwas originalgetreuer ist. Aber vielleicht ist es auch einfach billiger, als Teerbelag oder Gehwegplatten aus Beton? Im Schnoor kam mir jedenfalls eine Rollifahrerin entgegen, die ein größeres Rad vor den Rolli gespannt hatte. Dadurch wurden die kleinen Räder in die Luft gehoben und blieben nicht mehr stecken. Das sah wirklich entspannt aus. Falls Du als geneigter Leser schon Erfahrungen mit solch einem Rad machen konntest, würde ich mich über eine Nachricht von Dir freuen.